Erinnerungen eines
15-jährigen Schreinerlehrlings.
1944 wurde ich, mit weiteren Jugendlichen vom HJ-Dienst freigestellt und von der FF Kaufbeuren übernommen. Nach der Einkleidung – Fliegeralarm. Großangriff auf München. Die Feuerwehrbereitschaft Kaufbeuren wurde zum Einsatz nach München gerufen.
Karl Auerbach jun. * 06.11.1929
Die Löschgruppe LF/15-1 war nicht vollzählig. Zur Not griff man auf mich zurück. Ohne Ausbildung. Unsere Lotsenstelle Pasing teilte uns die Rheinstrasse als Einsatzgebiet zu. Verlegen von B und C-Schläuchen – Schlauchaufsicht und den Verteiler betätigen war meine Tätigkeit. 2 Feuerwehrkameraden vom LF/15-2 waren zeitweise von einer Zimmerdecke verschüttet. Wir wurden von einem erneuten Luftangriff überrascht. Schläuche abkuppeln und nichts wie weg. Außerhalb von München warteten wir den Angriff ab.
Eine notgelandete “Fliegende Festung” durfte ich hautnah besichtigen. Dann ging es wieder zurück zum Einsatz. Nach einem ca. 14-stündigen Einsatz – hundemüde und voller Eindrücke kehrten wir wohlbehalten zum Standort zurück.
Bei der FF Kaufbeuren musste auch die Dezentralisierung der Einsatzfahrzeuge vorgenommen werden. Für das LF/15-1 wurde Albrechts-Stadel am Viehmarkt als Unterkunft bestimmt. Ein Keller für die Mannschaft war nicht vorhanden. Somit wurde ein Unterstand gebaut. Nach ca.1,5 Meter Aushub kam das Grundwasser. Mit Eisenbahnschwellen ausgesteift und einer Erdschüttung abgedeckt, was unser Schutzraum fertig. Ein kleiner Ofen sorgte für Wärme. Bänke und Tische gehörten zur Ausstattung. Bei uns war es sprichwörtlich der “Bunker”. Die Bunkereinweihung war für mich ein Riesenerlebnis. Zur Einweihung gab es Wildbret mit Spätzle und Bier.
Der Bunker am Viehmarkt
Ein Novum in Kaufbeuren war, dass nach einer Anforderung der Bereitschaft Kaufbeuren, zuerst ein PKW abrückte, um Verpflegung für die Mannschaft einzusammeln. Wurst, Käse, Brot, Bier. Nachdem alle Vorbereitungen getroffen waren, rückten die Fahrzeuge ab, zum Treffpunkt Lotsenstelle.
Ein weiterer Einsatz in der Landsberger Strasse. Hier hatte eine Luftmine einen Gebäudeblock umgelegt. In dem darunter liegenden Luftschutzkeller sollen sich viele Menschen aufgehalten haben. Aus den Trümmern drang starker Rauch. Ich hatte den Auftrag mit einem B-Rohr mit Spritzpflock den Schuttberg zu kühlen. Nach einigen Stunden sind wir abgezogen. Ergebnis unbekannt.
Bei einem Einsatz in der Ohmstrasse wurden wir bis zum Äußersten gefordert. Die Ohmstrasse stand voll in Flammen. Ein starker Wind trieb alles was nicht niet- und nagelfest war in die Flammen. Eine Wasserförderleitung von 1,5km musste verlegt werden. Dazu wurden uns Kräfte aus der Donaugegend zugeteilt. Wir mussten eine Widerstandslinie aufbauen. Kameraden von diesen Einheiten kamen Nachts zum Schauen, wie es an der Feuerfront aussieht. Eine Giebelfront stürzte ein und erschlug 2 Kameraden. Zeitzünderbomben gingen hoch, da war was los. Nach 25-stündigem Einsatz kam der Abmarschbefehl. Als wir abrücken wollten kam eine “Partei-Größe” zu unserem Einsatzleiter und zwang ihn, einen Löscheinsatz anzuordnen. Wir bauten wieder eine Löschwasser-versorgung auf und wuschen mit einem B-Rohr mit Spritzpflock die Fassade. Nach 2 Stunden Wachtätigkeit, brannte in dem fünfstöckigen Gebäude die Fußböden und Decken im 5. OG. durch und durchschlugen alle Stockwerke bis zum EG. Löschtätigkeit einstellen, zum Abmarsch fertig und nichts wie weg. Wir Alle waren am Ende unserer Kräfte.
Bei einem weiteren Einsatz in Kottern bei Kempten hatte ein Bombenteppich die Spinnerei und Weberei Kottern platt gemacht. Ich hatte den Auftrag einen Dachpappenstapel ca. 12 Meter lang und 2 Meter hoch zu kühlen. In unmittelbarer Nähe soll sich ein Industrie-Gasflaschenlager befunden haben, das von mir aus nicht einsehbar war. Auf Anordnung wurden von Sträflingen unter Bewachung eine große Holz-Kabeltrommel nach vorne zum Dachpappenlager gerollt. Hinter dieser Deckung begann ich mit dem Löschen und Kühlen der Dachpappe. Irgendwann – auf einmal ein Zischen – ein unheimliches Geräusch- eine 2 m Gasflasche flog über mich hinweg und landete im Trümmergelände. Dieser Vorgang wiederholte sich nochmals.
Diese Erlebnisse hatten eine nachhaltige Wirkung auf meine spätere Feuerwehrtätigkeit. Das Erlebte – die Eindrücke – die Kameradschaft sind Eckpunkte in meinem Gedächtnis, die ich nie vergessen werde.
Karl Auerbach geb. 6.11.1929 ehemaliger
Stadtbrandrat der FF Kaufbeuren (1966 – 1992)